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AutorenbildVanida Karun

Vom Hoffen und Loslassen

Aktualisiert: 15. Sept. 2018




Bis Mitte Zwanzig war ich der unerschütterlichen Überzeugung, dass ich eines Tages Mutter sein würde. Möglicher Weise alleinerziehend, aber in jedem Fall mit Kind. Nie war mir in den Sinn gekommen, ich könnte vielleicht nicht rechtzeitig den richtigen Partner finden, oder mein Körper könnte mir Schwierigkeiten bereiten.


Mit 26 stand ich dann plötzlich vor der Wahl: entweder meine Gebärmutter gleich operativ entfernen zu lassen, oder diesen Schritt zu verschieben und bis dahin chronische Schmerzen, regelmäßige Arztbesuche, Infusionen und Operationen in Kauf zu nehmen, um mir die Chance auf eine Risiko-Schwangerschaft zu ermöglichen. Meine Diagnose lautete „spezieller Fall“ von Uterus Myomatosus mit Verdacht auf Endometriose.


Ich war sprachlos. Zu diesem Zeitpunkt gab es in meinem Leben nicht einmal einen Partner. Doch mich von meinem Kinderwunsch zu verabschieden war weit entfernt von dem, was ich mir ansatzweise vorstellen konnte. Ich konnte nicht einmal die Möglichkeit in Erwägung ziehen.

Wahrscheinlich würde es schwierig werden, glaubte ich, aber irgendwas in mir war zutiefst davon überzeugt, dass es werden würde. Meine Uhr tickte also relativ früh relativ laut. Ich stellte unzählige Überlegungen an, zog es zum Beispiel in Erwägung, mich von meinem besten Freund schwängern zu lassen. Doch als ich während eines Engagements auf Rügen zur Gynäkologin musste und sie mir deutlich und nicht gerade sensibel zu verstehen gab, dass ich beim "Zustand meiner Gebärmutter" nicht auf die Erfüllung meines Kinderwunsch hoffen dürfe...dämmerte es mir langsam und die ersten verzweifelten Gedanken schlichen sich ein.


Oft fiel es mir in den kommenden Jahren schwer all die fröhlichen Kinder- und Familienfotos auf Social Media zu sehen. An manchen Tagen war es unerträglich schmerzhaft, denn ich begann mich zu vergleichen. Und durch diesen Vergleich erschein mir mein Leben weniger wert.


Dazu kam die Scham nicht so zu sein oder zu fühlen, wie ich glaubte sein oder fühlen zu müssen. Ich wollte mich ja freuen, über die Kinder der Anderen. Nur war diese Freude nicht das einzige, was ich fühlte. Wobei ich neidvolle Gedanken wie „Warum sie und nicht ich!?“ versuchte wegzuschieben. Gelang mir das nicht, ging ich hart mit mir ins Gericht.

Heute weiß ich, wie wichtig es ist, gerade in solchen Momenten Mitgefühl und Empathie für sich selbst aufzubringen. Damals war Selbstliebe allerdings noch ein Fremdwort für mich und wie ich in diesen mysteriösen Zustand gelangen sollte erst recht.


Fast alle Menschen, mit denen ich über das Thema sprach und auch alle Ratgeber, die ich dazu fand, teilten sich in zwei Lager auf: die einen plädierten auf Hoffnung, die anderen sagten: Lass los. Manche sagten beides.

Am dominantesten aber war das Hoffnungslager, durch das mir eine Menge Geschichten zugetragen wurden. Von Wunderheilungen, von Schwangerschaften, die trotz widrigster Umstände doch noch geglückt waren, von glücklichen Müttern, deren Gebärmutter-Problematiken sich durch Womb Healing aufgelöst hatten.

Ich glaubte an all diese Dinge, war mir allerdings nie sicher, ob ich diese Geschichten hören wollte. Sie machten mir ziemlich bald keine Hoffnung mehr, sondern nur noch einen zusätzlichen Druck und brachten die Selbstzweifel in mir immer stärker zum wachsen.


Dabei gab ich mir doch alle Mühe. Neben den OPs und Reisen zu Spezialisten im ganzen Land achtete ich auf meine Ernährung, trank die scheußlichsten Tees und sprach regelmäßig mit meiner Gebärmutter ...aber statt sich zu verbessern wurde es nur schlimmer. Auch die Reiki-, Heilpraktiker- und Osteopathen- Sitzungen schlugen bei mir, wenn überhaupt, nur kurzzeitig ein wenig gegen die Schmerzen an.

Doch von Loslassen war ich inzwischen meilenweit entfernt. Ich hatte schon so viel investiert. So viel Energie, Blut und Schmerzen, so viel Zeit, Nerven und Geld. All das konnte und durfte nicht umsonst gewesen sein.

Wenn ich nur stark genug dran glauben würde, wenn ich nur die richtigen Spezialisten und Heilmethoden fände, wenn ich sie nur inständig genug beschwören würde, müssten meine Myome doch eines Tages Platz machen für das, was dort an ihrer Stelle wachsen sollte.


Dass genau sie es waren, die dort wachsen sollten und dass das, was ich von ihnen lernen sollte, das eigentliche Wunder war, wollte ich nicht wahrhaben.

Ich wollte an ein anderes Wunder glauben.

Alle paar Monate war ich mir sicher, dass sich endlich ein solches Wunder zugetragen hatte und ich tatsächlich schwanger geworden war. Ich starrte auf den Test, den ich voller Hoffnung besorgt hatte und konnte nicht glauben, dass er nicht positiv ausgefallen war und ich mich auch diesmal getäuscht hatte.


Irgendwann hatte sich mein Kinderwunsch verselbstständigt. Den Zeitpunkt habe ich nicht bemerkt. Still und heimlich hatte sich Verzweiflung in mein Herz geschlichen und aus dem Wünschen ein übermächtiges, verzweifeltes Wollen gemacht.

Glaubte ich nicht genug? Machte ich nicht genug? Hatte ich die falschen Methoden, die falschen Fachleute gewählt? Und dann die Frage, die am schlimmsten von allen nagte: war ich es nicht wert!?

All diese Gedanken waren schwer zu ertragen, also wandte ich mich zwischendurch immer wieder komplett von ihnen ab und versuchte es intensiv mit dem Loslassen. Diese Versuche endeten meist in totaler Verdrängung. Ich tat dann so, als würde ich gar keine Kinder haben wollen, versuchte sie einfach nur nervig zu finden und konzentrierte mich auf mein berufliches Weiterkommen. Nur damit das Thema mir früher oder später wieder um die Ohren flog.


Wäre ich damals mein eigener Coach gewesen, hätte ich mir weder dazu geraten zu hoffen, noch dazu loszulassen. Meiner Erfahrung nach können wir bestimmte Dinge gar nicht aktiv loslassen. Deshalb können wir auch nicht wissen, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist.

Was wir immerhin beitragen können, ist die Bereitschaft loszulassen. Und wir können aktiv beginnen die richtigen Fragen an unsere Lebensthemen zu stellen.

Als das Hoffen auf seine Erfüllung genauso wenig funktioniert hatte, wie mich von ihm zu distanzieren, begann ich meinen Kinderwunsch genauer zu betrachten.

Ich gab mir Raum für alle wichtigen Fragen und Antworten. Was genau verknüpfte ich gedanklich und emotional mit ihm. In welchen Momenten bewegte er mich besonders tief. Welche Erfahrungen und Empfindungen wollte ich erleben wenn ich mich nach einer Schwangerschaft, nach einem Kind sehnte. Was wäre dann erfüllt?


Während eines meiner Retreats in Stille kamen die Antworten wie von selbst: ich wollte diese tiefe und unantastbare Verbindung und Zugehörigkeit zwischen Mutter und Kind, die bedingungslose Liebe. Ich sehnte mich nach Wachstum - sowohl danach mein Kind beim wachsen zu unterstützen, als auch selbst über mich hinaus zu wachsen. Eine (Lebens-) Aufgabe mit Bedeutung und Sinn. Alles zu geben und meine Erfahrung zu teilen. Ich wünschte mir, Kinder um mich zu haben und das Gefühl von Familie. Das Gefühl von „angekommen“ sein.


Es war einerseits überwältigent zu erkennen, wie stark aufgeladen mein Kinderwunsch war. Andererseits musste es ja auch tiefe und emotionale Gründe haben, weswegen ich so an meinem Wunsch festhielt. Gründe, die meine hohe Leidensbereitschaft über so viele Jahre rechtfertigten.

Die entscheidende und konstruktivste Frage war: wo all diese Dinge, oder das Potenzial für all das, was ich mir wünschte, in meinem jetzigen Leben schon vorhanden waren und wie ich mir selbst mehr davon geben und in mein Leben integrieren könnte.

Als sich die Antworten darauf Stück für Stück zeigten, begannen die Gitterstäbe des Gedankenkäfiges, den ich mir gebaut hatte, endlich zu Risse zu bekommen und Nach und nach einer nach dem anderen zu fallen.


Mein Traum hatte sich nicht erfüllt. War das wahr? Wenn ich still wurde und mich mit meiner inneren Weisheit verband, fühlte sich dieser Satz nicht mehr wirklich richtig an.

Wenn ich der weisen Stimme in mir folgte und die vielen wunderbaren Dinge betrachtete, mit denen mich das Leben beschenkt hatte. Wenn ich mich voller Dankbarkeit auf die Fülle ausrichtete, die mich umgab. Wenn ich genau darauf hörte, was das Universum mir sagen wollte, konnte ich erkennen, dass alles, was ich mir gewünscht hatte, entweder da - oder zumindest auf dem Weg war.


Während ich Stück für Stück wieder lernte mein gegenwärtiges Leben aus vollem Herzen zu lieben und wertzuschätzen, begannen meine alten Überzeugungen und Vorstellungen endlich, mich loszulassen. Meine tiefe Wahrheit begann sich zu zeigen. Alles war gut, das konnte ich nun wieder fühlen. Und auch die wichtige Botschaft, die mir meine Gebärmutter mitzuteilen versucht hatte, konnte ich nun endlich hören und beginnen an ihr zu wachsen. Diese Geschichte möchte ich eines Tages auch gern mit Dir teilen. Und dafür brauche ich noch etwas Zeit.


Wenn Du bis hierher gelesen hast, danke ich dir von ganzem Herzen.

Wenn Du genauso wie ich einmal von etwas geträumt hast, was sich nicht erfüllt hat, magst du dir vielleicht einen Moment nehmen, um still zu werden und tief in dich hinein zu horchen.

Was wäre, wenn du dich getäuscht hast. Wenn es nur so aussieht, als hätte sich das, wovon du geträumt hast, nicht erfüllt oder würde nie in Erfüllung gehen. Was wäre, wenn es in einer anderen Form erschienen ist, oder noch erscheinen wird. Wenn es längst auf dem Weg ist, oder schon lange da war. Würdest du es bemerken? Wärest du offen und bereit es zu empfangen?


Auch wenn meine Gebärmutter, bevor ich sie endgültig verabschieden musste, mir kein Kind geschenkt hat, so hat sie dennoch so viel Wunderbares in mir wachsen lassen. Unzählige Erkenntnisse und tiefe Wahrheiten durfte ich (wieder-) entdecken. Und wenn ich eine davon an Dich weitergeben darf, dann wäre es diese:


Egal wie gebrochen wir uns manchmal fühlen, wie sehr uns unsere Gedanken manchmal quälen mögen : wenn wir uns in Selbstmitgefühl und Empathie üben und uns tief mit unserem weisen, inneren Anteil verbinden, geben uns unsere Gedanken-Käfige früher oder später frei. Versprochen.


Bleib bei dir, bleib bei deinem Herzen, du bist nicht allein.


Vanida

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